Geschichte

Vom Politorgan zum modernen Sportverein
Der Wasserfahrclub Hard blickt zurück auf eine wechselvolle, über 60 jährige Geschichte. Auf dieser Seite machen wir an den wichtigsten Stationen halt

Als die Geschichte noch Alltag war
1936, zwei Jahre nach der Gründung unseres Vereins, erreichte die Weltwirtschaftskrise ihren Höhepunkt. In Berlin inszenierten die Nationalsozialisten die Olympischen Spiele als Triumph des germanischen Übermenschen und bereiteten mit Hochdruck den zweiten Weltkrieg vor. Die Kommunistische Partei der Schweiz feierte ihr 15 Jahr Jubiläum. Noch 4 Jahre sollte sie wirken, bis sie 1940 aus Gründen der Staatssicherheit verboten wurde. Stabilität, wie wir sie kennen, war entrückte Utopie, die bis unlängst selbstverständlichen Sozialwerke hatten bestenfalls als Ideen Form. Politisches durchdrang jede Facette des Lebens.

Auch der Sport stand in einem anderen Zeichen: Er orientierte sich am Ideal der Ertüchtigung und fügte sich nahtlos ins Konzept des sozialdarwinistischen Lebenskampfes ein. Fun trat an zweiter Stelle hinzu. Freude, Abwechslung, Kameradschaft und Solidarität sagte man damals und meinte damit etwas Kollektiveres als die Runden des walkmanbetäubten Joggers, den letzten Kick des Freeclimbers im überhängenden Fels oder die einsame Spur des Snöbers im Lawinenhang. Organisation, Teilwerdung einer höheren Ordnung lag besser im Kurs als individuelle Selbstverwirklichung.

Was wir als Geschichte wahrnehmen, war für die Vereinsgründer Alltag und prägte ihr Verhalten und Entscheiden grundlegend.

10 rote Brüderlein, die wollten einen Verein…
1925 fanden sich Arbeiter aus dem Zürcher Industriequartier im “Arbeiter Wasserfahrverein Zürich” zusammen, um mit dem Weidlingsport einen Ausgleich zum Fabrikalltag zu schaffen. Wie viele Vereinsgründungen jener Zeit stand auch diese unter einem klassenkämpferischen Stern. Die politischen Interessen waren den sportlichen mindestens ebenbürtig. Die Vereinigung sollte ein Reservoir für ideell Gleichgesinnte sein. Im SATUS, dem Schweizerischen Arbeiter Turn- und Sportverband, sah man sich unter diesem Vorzeichen gut aufgehoben!

Die Einigkeit im politischen Willen überragte indes den Konsens der politischen Ziele. Der Konflikt, welcher innerhalb der Sozialdemokratischen Partei als Reaktion auf die basisgestützte Abfuhr der 5. Internationalen und den allmählichen Wandel von der Oppisitionspartei zur Volkspartei entbrannte, zeitigte Nachwirkungen. Die Auseinandersetzung führte 1921 zur Abspaltung der Kommunistischen Partei der Schweiz. Das linke Lager blieb für die Folgezeit gespaltet.

… die einen waren zu weit rechts, da waren’ s nur noch 9 …
Verschiedene Mitglieder des “Arbeiter Wasserfahrvereins Zürich” pflegten Umgang mit kommunistischen Kommunen. Die Ultras schimpften die gemässigten Sozialisten “Frontisten” (Bekennende Anhänger des Nationalsozialismus in der Schweiz). Dies Titulierung stand zwar mit realen Positionen in keinem Verhältnis, illustriert aber umstandslos die Schärfe der Uneinigkeit. Den SATUS, der sich politisch an die offizielle Linie der Sozialdemokratischen Partei hielt, stachen die kommunistischen Agitatoren aus Zürich wie ein Dorn im Auge. Er schloss den exorbitanten “Arbeiter Wasserfahrverein Zürich” kurzerhand aus.
Das Fass war voll: 1933 gab der Präsident Jean Fischer “wegen kommunistischer Agitation im Verein”den Austritt. Eine Reihe von Mitgliedern folgte seinem Beispiel.

Unpolitisches Zwischenspiel
Noch im selben Jahr unternahm die Fraktion um Jean Fischer Anstrengungen zur Gründung eines neuen Wasserfahrclubs. “Frei” sollte er sein, an keine Organisation gebunden, von der schädliche Einflüsse hätten ausgehen können. Am 21. April 1934 war es soweit: Im Restaurant “Schönau” (Industriequartier Zürich) gründeten 13 Aktive und 7 Passive den “Freien Wasserfahrclub Zürich”. Um sich vom verlassenen Verein zu distanzieren, strich man “Arbeiter” aus dem Namen und bezeichnete sich anstatt als “Verein” moderner als “Club”

Kastenlos: Arbeiter bleibt Arbeiter!
Nur 1 Jahr später zeigte sich, dass man auf den Zusatz “Arbeiter” nicht verzichten mochte. Das starke sozialistische Selbstverständnis setzte sich durch. Bereits 1936 deponierte man beim SATUS ein Aufnahmegesuch. Es demonstriert uns das unbebrochene Bekenntnis zum Sozialismus. Der SATUS, an eigener Erstarkung interessiert, betrieb eine freizügige Aufnahmepolitik. Bereits im Winter 1936 war der Arbeiter Wasserfahrverein Zürich trotz extrem linker Situierung dem Verband wieder einverleibt worden. Gegen den Widerstand dieser Sektion, dem der neue Verein auf dem Platz unliebsame Konkurrenz bedeutete, erfolgte 1937 der Eintritt. Die Freiheit hatte kurze Beine. Dass ohne Verbandszugehörigkeit kein Teilnahmerecht an Wettfahren bestand, dürfte ebenso wie finanzielle Gründe die Zuwendung zum SATUS beschleunigt haben. Mit den Bürgerlichen (Limmatclub Zürich) wollte man sich dem Teufel den Bart ab nicht einlassen. Das Prädikat “Frei” behielt man trotz eingegangener Bindung bei.

Wer hat soviel Pinke Pinke, wer hat soviel …
Die aktiven Mitglieder zahlten einen monatlichen Beitrag von 1.- Fr.. Für Jugendliche war statuarisch eine Abgabe von -.50 Rp. vorgesehen. Mangels Junioren blieb diese Regelung allerdings bis 1941 bedeutungslos. Den Obolus für Passive setzen die Gründer bei 5.- Fr. jährlich fest. Standen grosse Anschaffungen an, investierten die Mitglieder einen Teil privat. Weitere Mittel erwirtschaftete man mittels Markenverkäufen und Dienstleistungen zu Wasser. Trotz der schlechten Wirtschaftslage zeigten sich Sport- und Finanzamt der Stadt Zürich spendabel: Verschiedentlich sprangen die Amtsvorsteher, Sozialisten notabene, mit Subventionen ein.
Die ersten Weidlinge: endlich Sport

Im April 1935 konnte der erste Weidling, hergestellt von der Firma Waldmeier in Mumpf, gewassert werden. Quartier in Ufernähe bezog man gegen eine Miete von 100.- Fr. jährlich in einem Abstellraum der Baufirma “Carlo Banfi”. Die Zahlungen erfolgten in monatlichen Raten. Bereits 1938 verfügte man über einen zweiten Weidling. Beide Schiffe wurden gegenüber dem Hardturm stationiert. Die Trainingsfahrten erstreckten sich auf dem Limmatabschnitt zwischen Walche- und Hardturmsteg.

Vor dem drohenden Gewitter ein Häuschen bauen
Vermutlich Ende 1938 kündigte die Firma Banfi die Unterkunft. Unter grossen organisatorischen und finanziellen Anstrengungen gelang auf dem Areal der Firma “Schöller” an der Kreuzung Hardturmstrasse-Fischersteg der Bau eines Bootshauses. Nicht zuletzt verdankte der Club diesen Erfolg arbeitslosen Mitgliedern, die ihr ganzes Geschick darauf verwendeten. Ende August 1939 war das neue Domizil bezugsbereit. Die Substanz im Wert von 3000.- Fr. (!) begleitete den Verein bis zum heutigen Tag.

Europa sinkt in Schutt und Asche
Zeit, sich am gelungenen Werk zu freuen, blieb kaum. Exakt ein Monat nach dem Richtfest marschierten deutsche Truppen in Polen ein. Frankreich und England erklärten Hitler den Krieg. Der zweite Weltkrieg veränderte die Welt im grossen wie im kleinen. Kaum ein Belang blieb von ihm unberührt. Der Generalstab erklärte den Limmatlauf zur strategisch wichtigen Demarkation. In Windeseile bauten Truppen das linke Ufer als Verteidigungslinie aus. Über längere Zeitabschnitte sperrten die Behörden die Limmat für den privaten Schiffsverkehr. Die Vereinsleitung sah sich gezwungen, den Trainingsbetrieb einzustellen. Erst im Laufe des Krieges kam es zu Lockerungen. Die Wasserfahrvereine durften Fahrbewilligungen einholen.

Wir wollen sein …
Auf die politische Landschaft der Schweiz übte der zweite Weltkrieg eine integrative Wirkung aus. Unter dem Summenzeichen “Schweizer Nation” rückten politische Richtungen zusammen, die sich eben noch ablehnend gegenüber gestanden und befehdet hatten: Die Sozialdemokraten fuhren schlagartig einen bourgeoise anmutenden Kurs. Die kommunistische Partei, welche sich als einzige weigerte, sich auf ein nationales Bekenntnis einzuschwören, wurde 1940 verboten. Die geistige Landesverteidigung machte auch vor dem SATUS und dem “Freien Arbeiter Wasserfahrclub Zürich” nicht halt.

Militärische Vorkurse als Jungbrunnen
Um im Kriegsfall eine geordnete Rekrutierung garantieren zu können, führte der Bund ein militärisches Vorkurswesen ein. Eingeschulte Burschen waren verpflichtet, sich körperlich zu ertüchtigen und auf den Wehrdienst vorzubereiten. Mit der Organisation und Durchführung dieser Kurse betraute man Schulen und Vereine. Der SATUS legte sich mächtig ins Zeug und verbesserte mit einem Schlag sein Verhältnis zum Bund, das bis dato ein spürbar frostiges gewesen war. Die Wasserfahrer wollten bei soviel Enthusiasmus natürlich nicht abseits stehen und “alle Jungen den Turnern überlassen”. 1941 bildete der “Freie Arbeiter Wasserfahrclub Zürich” die ersten Junioren im Weidlingfahren aus. 1946 verankerte man das Juniorenwesen durch die Schaffung des Jungfahrleiteramtes definitiv in den Statuten. Die Jugend erhielt Möglichkeiten, über die Vorkurse hinaus am Vereinsleben teilzunehmen. Das gute Einvernehmen mit dem Bund brachte den Wasserfahrvereinen materielle Unterstützung in Form von Fahrgeschirr und anderen Zuwendungen. Bis heute hält die im zweiten Weltkrieg begründete Partnerschaft mit dem Militärdepartement an.

Klassenkampf ist nicht mehr chic!
Der Schock der europäischen Krise und die geistige Landesverteidigung wirkten gründlich: Einigkeit und Harmonie stiegen in den Olymp der gesellschaftlichen Ziele. Die ursprünglich aggressive Arbeiterbewegung erholte sich von dieser Zähmung nicht mehr. Das Proletariat mochte nicht mehr provozieren, es versteckte seine Oppisition. Nur so kann man sich das vor dem zweiten Weltkrieg Undenkbare erklären: An der Generalversammlung 1945 taufte man den “Freien Arbeiter Wasserfahrclub Zürich” um auf den Namen “Wasserfahrclub Hard-Zürich” und verzichtete damit auf eine plakative Klassen- und Gesinnungsdemonstration. Die Verantwortlichen begründeten diesen Entscheid dreifach: 1. Das Prädikat “Frei” treffe seit dem Beitritt zum SATUS nicht mehr zu. 2. “Arbeiter Wasserfahrclub” werde leicht mit “Arbeiter Wasserfahrverein” verwechselt. 3. “…um der Sektion einen kurzen, bündigen und leicht verständlichen (man möchte hinzufügen “zeitgemässen”) Namen zu geben. Die Anleihe vom unmittelbar benachbarten Hardturm lag nahe.

Beatnik, Swing and Rock’ n Roll: Aufschwung der 50er Jahre
Die neue Identität trug man zur Schau: Ab 1951 sorgten eine Fahne und einheitliches Clubtenue für adrettes Erscheinen. Der malerische Hardturm – jetzt passend zum Namen – wurde als Logo entdeckt. Die Anschaffung eines Aussenbordmotors eröffnete ungeahnte Möglichkeiten: Lange Talfahrten bis nach Strasbourg schufen neue Kontakte. Kleidertransportdienste am Limmatschwimmen besserten die Clubfinanzen auf. Das Kriegserbe pflegte man weiter: Für 1949 weisen die Mitgliederlisten 9 Junioren aus. Das Jungfahrerwesen wuchs zu einem wichtigen, zukunftsweisenden Pfeiler heran. Die Teilnahme am “Silbernen Weidling” 1956 – einem wichtigen Wettfahren der “bürgerlichen” Wasserfahrvereine – zeigt, wie stark gesellschaftspolitische Beweggründe hinter sportliche zurücktraten. Einzig Querelen mit den Sportfischern, welche angesichts des intensiven Stachelbetriebs um die Laichgründe ihrer Fänge fürchteten, überschatteten die Erfolgswelle der 50er und frühen 60er Jahre. Bilateralen Abkommen gelang es schliesslich, die gehässig ausgetragene Interessenkonflikte beizulegen. Die Gewöhnung trug das Ihre zur Wiedereinkehr des Friedens bei.

Alkohol ertränkt die goldigen 60er
Die frühen 60er Jahre zeugten schlechte Omen: Die Stadt Zürich, im Begriff, sich zur City zu wandeln, nahm zuhauf Umzonungen vor und projektierte neue Ein- und Ausfallsachsen. 1963 ragten aus der Limmat vor dem Bootshaus provisorische Pfeiler eines Eisenbahnviadukts, das Umgelände verkam zur Baustelle des Käferbergtunnels. Was das Vereinsleben angeht, sprechen die Quellen spärlich. Von unmoralischem Treiben, Disziplinlosigkeit, Diebstahl und Zankereien ist zu vernehmen. Austritte häuften sich bemerkenswert. Üppiger Alkoholkonsum war Zündung und Öl dieses Feuers gleichermassen. 1966 überschlugen sich die Ereignisse: Die Bautätigkeit setzte dem maroden Treiben ein vorläufiges Ende. Das Bootshaus musste endgültig dem Eisenbahnviadukt weichen, für einen alternativen Standplatz hatte man nicht vorgesorgt.

Grossstadt-Wikinger: Annexion der Bombachmündung
Die Mühlen der Behörden arbeiteten zu langsam. Kurzerhand zerlegte eine kleine, engagierte Gruppe von Mitgliedern das Bootshaus, packte es auf die Weidlinge und ruderte damit an die Bombachmündung beim Unterwasserkanal des Kraftwerks Höngg. Die Grundstücksbesetzung stiess auf wenig amtliche Begeisterung. Ein polizeiliches Dekret stoppte die bereits angelaufenen Aufbauarbeiten.

Freiheit wieder ein Thema
Die Reissbrettplaner der Stadt hatten mit dem Wasserfahrclub Hard höheres vor. Er sollte Teil eines Wassersportzentrums auf der Werdinsel-Höngg werden. Autonomieverlust stand allerdings gar nicht im Sinn des Vereins. Trotzdem trat man auf das provisorische Angebot des Sportamtes ein und bezog ein Grundstück auf der Werdinsel. Die Pläne der Stadt zerschlugen sich in der Folge am Widerstand sämtlicher nautischer Vereine auf dem Platz, so dass aus dem ursprünglichen Provisorium heute ein gewohnheitsrechtliches Definitivum geworden ist.

Neues Glück in Höngg
Der erzwungene Umzug veränderte das Terrain, die alten Probleme und besonders der Alkohol waren damit nicht aus dem Bootshaus verschwunden. 1967 schaltete sich der SATUS ein mit der dringlichen Bitte, den Alkohol vom Clubareal zu verbannen und endlich Ordnung einkehren zu lassen. Die Entwurzelung des Vereins wirkte wohl heilend. Durch den Umzug vom ursprünglichen Einzugsgebiet im Industriequartier abgeschnitten, gingen die Mitgliederzahlen zwischen 1969 und 1979 drastisch zurück. Es waren vor allem die Jungen, wohl eben diese engagierten Mitglieder, die auch den Standortwechsel getragen hatten, welche dem Verein bis 1979 die Stange hielten. Sicher fanden auch Clubausschlüsse statt. Nach dieser therapeutischen Schrumpfung waren die Voraussetzungen für frische Bezüge gegeben. Neue, vorwiegend junge Mitglieder rekrutierte man im Quartier Höngg. Die anfängliche Katastrophe und die mit ihr einhergehende Reinigung, erwiesen sich als Segen. 1980 lag ein neues Zielkonzept vor: Im verjüngten Verein gehörte die Jugendförderung selbstverständlich zu den Zielen ersten Ranges. Junge gestalteten für Junge. Alle Mitglieder brachten sich mit ihren Fähigkeiten und Vorstellungen ein, erprobten ihre Kreativität im Freundeskreis. Dem Rückhalt geteilter Verantwortung entsprangen beachtliche Leistungen und ungezählte vergnügliche Stunden.

Bald die dritte Höngger Generation am Ruder
Bis heute sind wir dem Weg, den unsere Vorgänger eingeschlagen haben, treu geblieben. Ihr Trainings- und Weekendangebot wurde ausgebaut. Die Clubfinanzen haben einen noch nie dagewesenen Zuwachs erfahren. Einige Mitglieder riefen eine vereinsinterne Zeitschrift, den “Werdinselstachler” ins Leben. Zu den Highlights der letzten Jahre gehört ein Auslandlager, das unsere verschworene Gemeinschaft in die abenteuerliche Wildnis Schwedens führte. Nicht ohne Stolz freuen wir uns darauf, dass die dritte Höngger Generation unseren prosperierenden Sport- und Freizeitverein übernimmt und ihn nach ihren eigenen Ideen weitergestaltet.

Adrian Huber